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Stolpersteine erinnern an Nazi-Opfer aus Haldensleben

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, so zitiert der Künstler Gunter Demnig auf seiner Internetseite den Talmud. Demnigs Name steht für ein bedeutendes europaweites Kunstprojekt. Die Stolpersteine! Mit den kleinen im Boden verlegten Gedenktafeln soll an das Schicksal derer erinnert werden, die in der NS-Zeit verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Selbstmord getrieben wurden.
Nun sollen auch zwei Stolpersteine in Haldenleben verlegt werden. Finanziert mit Hilfe von Spenden, möchte die evangelisch Kirchengemeinde St. Marien damit an zwei jüdische BürgerInnen erinnern, die hier lebten und Opfer des Rassenwahns der Nationalsozialisten wurden. Gemeint sind Helene Dreier und Eugen Frohnhausen.

Helene Dreier wurde am 7. Juni 1882 in Güsten/Anhalt in der damals sehr angesehenen Familie des jüdisch-orthodoxen Goldschmiedemeisters Abraham Goldschmidt und seiner Ehefrau Agnes geboren. 1904 kam ihre Tochter Elsa zur Welt und sie heiratete im selben Jahr den sieben Jahre älteren evangelischen  Postbriefträger Heinrich Dreier. Am Ende des Jahres zog die junge Familie nach Neuhaldensleben. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Heinrich Dreier beamteter Postassistent, Mitbegründer und ständiges Vorstandsmitglied der Beamten- Spar- und Darlehnskasse. Bis er 1932 einem Schlaganfall erlag.
Helene Dreier war in all diesen Jahren sehr aktiv in der Wohlfahrtspflege, überall dort, wo es um unauffällige Hilfe und Unterstützung für notleidende Menschen ging. Schon lange vor 1933 wurde sie die „Samariterin der Holzmarktstraße“ genannt, wo sie damals wohnte. Niemand ahnte zu dieser Zeit, dass sie Jahre später der einzige Einwohner Haldenslebens sein wird, der aus rassischen Gründen deportiert wurde. Im Januar 1944 ließ die Gestapo die damals 62-Jährige Frau in das KZ Theresienstadt abtransportieren. Ein Jahr später folgte die schockierende Nachricht an Tochter Elsa: Mutter Helene ist im KZ umgekommen. Aber gleich einem Wunder, kehrte Helene Dreier nur wenige Monate später nach Haldensleben zurück. Sie hatte die Schrecken des KZ überlebt und sich allein von Theresienstadt nach Haldensleben durchgeschlagen. Sie starb am 5. März 1957.

Eugen Frohnhausen kam am 4. Juli. 1878 in Halberstadt als Kind von Samson Frohnhausen und seiner Ehefrau Rosalie zur Welt. Bei seinem Onkel Oskar Löwenstein erlernte er den Kaufmannsberuf und war ein Großteil seines Lebens in der Eisenhandlung Gebr. Löwenstein in Neuhaldensleben tätig. Zunächst als rechte Hand der Geschäftsleitung, später als Gesellschafter und ab 1923 als Alleininhaber der Firma. Sechs Jahre zuvor hatte die evangelische Nichtjüdin Jeanne Reps (geb.: 30. 12. 1886) geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos.
1933 kam mit dem Faschismus der wirtschaftliche Ruin. Der Prokurist der Firma, Ehemann der Nichte von Frau Frohnhausen, war NSDAP- und SS-Mitglied und riss die 92 Jahre alte Firma an sich. Eugen Frohnhausen ist 60 Jahre alt, als er die JKennkarte H 0002 erhält. Es sollen ihm noch vier Jahre furchtbaren Erlebens bleiben, voller Repressalien, Schikanen und Erniedrigungen bleiben. Am 18. Dezember 1942 erreicht ihn die vertrauliche Information, dass er verhaftet und deportiert werden soll. Darauf nimmt sich Eugen Frohnhausen auf dem Dachboden seines Hauses das Leben. Eugen Frohnhausen war der letzte Bürger jüdischer Religion in Haldensleben. Mit seinem Tode erlosch die 1808 begründete Synagogengemeinde. Ein Grab in Haldensleben wurde ihm verweigert. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Israelitischen Friedhof in Magdeburg. Das Grabmal ist erhalten geblieben.

Künstler Gunter Demnig erinnern an die Schicksale, in dem er die Stolpersteine unmittelbar vor dem letzten frei gewählten Wohnort der Opfer platziert. Mit den Worten „Hier wohnte…“ beginnen die jeweiligen Inschriften auf den in den Bürgerstein eingelassenen Messing-Gedenktafeln. Die Verlegung der Steine in Haldensleben wird am 24. März 2017 stattfinden und beginnt um 12.30 Uhr auf dem Gehweg vor dem Haus Holzmarktstraße 6 – dort war der letzte Wohnort von Helene Dreier. Der Messing-Stein für Herrn Eugen Frohnhausen wird im Anschluss vor dem Haus an der Bornschen Straße 55 verlegt. Weil es sich dort um einen unbefestigten Gehweg handelt, wird für den Stein ein kleines Betonfundament gegossen. Wer teilnehmen möchte, ist herzlich eingeladen.

 

20.03.2017